Sonnenlicht ist einfach gut

Die medizinische Einstellung zum Sonnenlicht hat sich im letzten Jahrhundert verändert. Wir sind von einer Ära modischer Bräune und Sanatorien, die Heliotherapie anbieten, zu einer Ära übergegangen, in der Dermatologen ungeschützte Sonnenexposition entschieden ablehnen. Dabei berücksichtigt die Medizin aktuell nur die Hautgesundheit und das Risiko für Hautkrebs oder vorzeitige Hautalterung, das mit ungeschütztem Sonnenbaden einhergeht.

Die Mechanismen, durch die Sonnenlicht die allgemeine Gesundheit beeinflusst, bleiben weitgehend unbeachtet. Allenfalls der Vitamin D Synthese gesteht man etwas Raum zu. Dabei ist das noch lange nicht die ganze Geschichte.

UV-Strahlung ist tatsächlich ein Karzinogen. Zu viel davon kann das Hautkrebsrisiko erhöhen. Was aber nicht berücksichtigt wird, ist, dass eine höhere Sonnenbestrahlung keineswegs die Gesamtsterblichkeit erhöht oder dass das Meiden von Sonnenlicht das Leben verlängert. Lichtmangel dagegen belastet die Gesundheit sehr wohl.

Sonnenlicht senkt die Gesamtsterblichkeit

Die Gesamtsterblichkeit bezüglich eines bestimmten Faktors repräsentiert die Bilanz der Risiken und Vorteile, die von ihm aus gehen. Und im Fall von Sonnenlicht scheinen die gesundheitlichen Vorteile zu überwiegen. Außer dem karzinogenen Effekt von UV-Strahlung gibt es keine Daten, die auf eine erhöhte Sterblichkeit durch Sonnenlicht hinweisen. Aber es gibt Daten, die das Gegenteil belegen: Zwei große prospektive Kohortenstudien aus Nordeuropa.

In einer Studie wurden 30 000 Frauen aus Südschweden über 25 Jahre hinweg beobachtet. Zum Ende der Studie zeigte sich, dass die Intensität der Sonnenexposition umgekehrt mit der Gesamtsterblichkeit korrelierte. Von den Frauen, die die Sonne eher gemieden hatten, waren deutlich weniger noch am Leben als von den Sonnenanbeterinnen. Allerdings war die Hautkrebsrate bei ihnen höher. Daran gestorben sind sie aber nicht. Und ihr Leben verdankten sie einer geringeren Rate von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Eine andere Studie aus Großbritannien, mit 377 000 hellhäutigen Teilnehmern, zeigte ebenfalls, dass Sonnenbaden die Gesamtsterblichkeit senkt. Auch hier erlitten die Teilnehmer weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Außerdem war die Krebsrate geringer, auch die von Hautkrebs.

Diese Beiden Studien belegen, dass zumindest für hellhäutige Nordeuropäer die Vorteile des Sonnenbadens die Nachteile überwiegen. Diese Bevölkerungsgruppe profitiert von Sonnenlicht.

Allerdings hängt dies stark von der Beschaffenheit der Haut und geographischer Breite ab. Jeder Hauttyp reagiert anders auf UV-Strahlung und die Stärke der Strahlung nimmt mit der Nähe zum Äquator zu. Deswegen muss das Risiko immer individuell betrachtet werden.

Für dunkelhäutige Menschen besteht kein Hautkrebsrisiko durch UV-Strahlung. Dafür müssen sie auf andere gesundheitliche Vorteile von Sonnenlicht verzichten.

Sonnenlicht schafft Vitamin D und Gesundheit

Die UV-B-Strahlung des Sonnenlichts spendet die Energie, die für die Synthese von Vitamin D benötigt wird. Das ist ein alter Hut. Vitamin D wiederum ist wichtig für den Calcium- und Phosphatstoffwechsel. Ist der gestört, leiden die Knochen. Heranwachsende leiden dann an Rachitis, Erwachsene an Osteomalazie.

Viele Krankheiten, wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen der Hirngefäße (die zu einem Schlaganfall führen können), Stoffwechselerkrankungen wie Typ 2 Diabetes, Multiple Sklerose oder Krebs, werden in der Regel von niedrigen Vitamin D Werten begleitet.

Studien zeigen allerdings, dass viele davon sich durch Vitamin D Präparate nicht lindern lassen. Es scheint die Strahlung selbst zu sein, die hier die Gesundheit herstellt. Der Vitamin D Mangel dient nur als Indikator. Eine Korrelation, die nichts mit kausalen Zusammenhängen zu tun hat. Was passiert also unabhängig von Vitamin D?

So senkt Sonnenlicht den Blutdruck

Der Blutdruck der Bevölkerung korreliert direkt mit der geografischen Breite. Je weiter im Norden er entsteht, um so mehr neigt er dazu, hoch zu sein. 😉

Dazu kommen jahreszeitliche Schwankungen. Im Winter ist er 5,6/3.3 mmHG höher als im Sommer. Da hat sicher wieder die Sonne ihre Strahlen im Spiel. Wie bereits erwähnt korreliert der Vitamin D Spiegel umgekehrt mit dem Blutdruck. Aber mit Vitamin D Gaben lässt der sich nicht senken.

Es gibt einen andern Mechanismus, durch den Sonnenlicht den Blutdruck senkt. In der Haut gibt es große Stickstoffspeicher in Form von Nitrat oder Nitrit. Aus diesen kann UV-Strahlung Stickstoffmonoxid freisetzen. Das ist ein Botenstoff, der entspannend auf die glatte Muskulatur, die unter anderem die Blutgefäße umgibt, wirkt.

Das Sonnenquartett

Dieser Blutdruck senkende Mechanismus ist wahrscheinlich für den größten Teil der cardioprotektiven Effekt von Sonnenlicht verantwortlich. Vitamin D für die Knochengesundheit. Aber es gibt noch andere gesundheitsfördernde Effekte von Sonnenlicht, von denen nicht bekannt ist, wie sie funktionieren. Jedenfalls beobachtet man, dass die Aktivität etwa eines Drittels der proteincodierenden Gene saisonal schwankt. Entzündungsfördernde Gene steigern im Winter ihre Aktivität. Möglicherweise um sich auf die anstehende Infektionslast vorzubereiten. Bezahlt wird das Ganze mit einem höheren Risiko für andere Krankheiten, deren Verlauf von Entzündungen befeuert wird.

Man spricht vom Sonnenquartett: Krankheiten, deren Verlauf von UV-Strahlung beeinflusst wird, deren Intensität mit der geografischen Lage und Jahreszeit schwankt und die unabhängig vom Vitamin D Status sind.

Da wären Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Erkrankungen der Hirngefäße, Typ 2 Diabetes, Multiple Sklerose, Covid-19 und der Tod. Alle lassen sich mit genug Sonnenlicht vermeiden oder hinauszögern.

 

Sonnenlicht macht glücklich – und süchtig

Die UV-Strahlung des Sonnenlichts regt die Haut an, Pigmente zum Schutz vor Strahlungsschäden zu bilden. Die pigmentbildenden Keratinozyten der Haut produzieren daraufhin Proopiomelanocortin (POMC). Das ist ein Protein und Vorstufe verschiedener Hormone. Im Zuge der Pigmentbildung wird es zu MSH, dem Melanozyten stimulierendem Hormon umgearbeitet. POMC enthält aber noch die Vorstufen anderer Hormone und so entsteht, neben MSH auch β-Endorphin. Das ist ein körpereigenes Opiat, das schmerzlindernd und euphorisierend wirkt. Angeblich macht es schon nach zwei Wochen Sonnenbaden süchtig.



Quellen:

Weller, Richard B. “Sunlight: Time for a Rethink?.” The Journal of investigative dermatology vol. 144,8 (2024): 1724-1732. doi:10.1016/j.jid.2023.12.027

Fell GL, Robinson KC, Mao J, Woolf CJ, Fisher DE. Skin β-endorphin mediates addiction to UV light. Cell. 2014;157(7):1527-1534. doi:10.1016/j.cell.2014.04.032