Urocaninsäure wurde zuerst in Hundeurin entdeckt

Sonnenlicht wirkt sich dank seiner UV-B Strahlung in vieler Hinsicht positiv auf unsere Gesundheit aus. Und nicht zuletzt macht Sonnenlicht irgendwie glücklich. Das haben wir sicher alle schon erlebt. Wie funktioniert das? Die molekularen Mechanismen, die unser Gemüt beeinflussen, sind noch geklärt, aber es gibt Verdächtige.

Serotonin könnte daran beteiligt sein, denn im Winter geht auch in vielen Köpfen die Sonne unter – gleichzeitig mit saisonalen Schwankungen der Konzentration des Neurotransmitters im Gehirn.

Ein weiterer Verdächtiger ist Beta-Endorphin. Das ist ein körpereigenes Opinoid, das als Nebenprodukt der Hautpigmentierung durch UV – Strahlung gebildet wird. Es gelangt von der Haut ins Gehirn und kann Mäuse süchtig nach Sonnenlicht machen.

Und es gibt eine weitere Verdächtige im Kreis der vom Sonnenlicht abhängigen Glücksbringer: Urocaninsäure oder kurz UCA.

Was ist Urocaninsäure?

Urocaninsäure ist ein Zwischenprodukt des Aminosäurestoffwechsels. Sie entsteht beim Abbau von Histidin. Bereits 1874 wurde die Verbindung erstmals aus dem Urin von Hunden isoliert. Daher hat sie auch ihren Namen: canis, der Hund und ouron, der Harn.

Urocaninsäure ist gut in der Lage, UV-Strahlung zu absorbieren. Ihr Gehalt in der Haut nimmt mit der Intensität der UV-Strahlung zu und ist in den Sommermonaten am höchsten. Man vermutet eine Funktion als körpereigener Sonnenschutz. Aber da ist vielleicht noch mehr.

Forschende nehmen die Urocaninsäure unter die Lupe

Forschende entwickelten eine einzigartige Methode, mit der sie den Inhalt einer einzelnen Zelle, deren Cytoplasma, isolieren und analysieren konnten. Sie fanden Urocaninsäure in den Nervenzellen vieler Hirnregionen.

Mit einer geringen Dosis an UV-B Strahlung imitierten sie ein moderates Sonnenbad. Sie fanden, dass durch die Prozedur der Gehalt an Urocaninsäure nicht nur im Blutserum, sondern auch in der Cerebrospinalflüssigkeit, dem „Hirnwasser“, sowie innerhalb der Nervenzellen anstieg.

Dasselbe Ergebnis erhielten sie auch durch intravenöse Injektion von Urocaninsäure.

Was passiert mit UCA im Gehirn?

Urocaninsäure ist ein Zwischenprodukt des Histidinabbaus. Histidin wird über einen mehrstufigen biochemischen Weg zu Glutamat abgebaut. In vielen Hirnregionen ist dieser Stoffwechselweg aktiv.

Glutamat ist ein wichtiger Neurotransmitter. Die Aufgebe von Neurotransmittern ist, die (elektrische) Erregung von einer Nervenzelle durch ein chemisches Signal auf die nachfolgende Nervenzelle zu übertragen. Glutamat ist der wichtigste erregende Neurotransmitter. Grundsätzlich können Neurotransmitter die Aktivität der folgenden Nervenzelle nämlich auch hemmen.

Urocaninsäure entsteht in der Haut durch UV-Strahlung. Sie reichert sich dort auch an, weil ein wichtiges abbauendes Enzym in der Haut fehlt. Über den Blutkreislauf gelangt die Urocaninsäure ins Gehirn, da sie anscheinend die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Das ist gut, aber nicht selbstverständlich. Im Gehirn wird Urocaninsäure zu Glutamat abgebaut.

Die Studie zeigte auch, dass die Verfügbarkeit von Glutamat in den Nervenzellen mit der Verfügbarkeit von Urocaninsäure korreliert. Versorgt man den Körper mit Urocaninsäure, wird an den Synapsen der glutamatergen Neuronen mehr Glutamat ausgeschüttet. Das erzeugt anscheinend stabilere, deutlichere Signale. Und das ist anscheinend die Ursache für die Verhaltensänderungen, die durch Sonnenlicht hervorgerufen werden.

Versuche an Mäusen zeigten, dass sich diese Verhaltensänderungen in größerer Neugierde, stärkerem Interesse an unbekannten Objekten und gesteigerter Leistungsfähigkeit äußern. Ach ja – entzieht man dem System Urocaninsäure, verschwinden diese Effekte und es wird wieder dunkel im Oberstübchen.

Urocaninsäure ist nicht alles

Sonnenlicht verändert unsere Physiologie auf vielerlei Wegen, steigert die Produktion von Vitamin D oder setzt Endorphine frei. Für viele ist der Mechanismus unbekannt, aber der Spiegel vieler Metabolite ändert sich in Abhängigkeit von Sonnenlicht. Ein guter Grund, ab und zu eine kleine Dosis Sonnenlicht zu genießen.

Quellen:

Chantranupong, Lynne, and Bernardo L Sabatini. “Sunlight Brightens Learning and Memory.” Cell vol. 173,7 (2018): 1570-1572. doi:10.1016/j.cell.2018.05.044

Zhu, Hongying et al. “Moderate UV Exposure Enhances Learning and Memory by Promoting a Novel Glutamate Biosynthetic Pathway in the Brain.” Cell vol. 173,7 (2018): 1716-1727.e17. doi:10.1016/j.cell.2018.04.014